Bergexerzitien 2006 in den Öztaler Alpen
siehe auch: Fotogalerie!
Bergexerzitien? Geht das denn?
Hervorragend, denn das Gebirge in seinen vielfältigen Landschaftsformen und mit seinen stillen Orten kann ein wunderbarer Helfer sein, mehr zu uns und zu Gott zu finden!
Wie so was laufen kann, möchten wir mit Texten und Bildern von den Bergexerzitien 2006 in den Ötztaler Alpen vorstellen.
Unser Ort:
Die Renkhütte, eine Selbstversorgerhütte des Alpenvereins im Glockturmkamm der Ötztaler Alpen oberhalb von Ried im Inntal, und eine Urlandschaft mit Wasserfällen, Felswänden, einem riesigen Steinkar, Zirbenwäldern ...
Das Grundschema von (christlicher) Mystik, nämlich "Reinigung", "Erleuchtung" und "Vollendung" soll unsere Tage gestalten, begleitet von Texten des Wüstenvaters Evagrius Ponticus ("Über das Gebet").
MONTAG Nachmittag: ANKOMMEN
Unsere Habseligkeiten und die Lebensmittel müssen auf die Hütte getragen werden.
So mancher fragt sich, warum er sich das antut – aber dann, die Aussicht und der Lohn!
Die nächsten Tage werden vorgestellt und eine kleine Komplet mit einem Salbungsritual beschließt den Tag.
DIENSTAG: DER WEG DER REINIGUNG
Wir wollen in die Tiefe gehen. Drum geht`s auch zunächst hinab zum Wasserfall und an den Fallenden Bach, wo jeder für eineinhalb Stunden seinen Ort findet. In uns soll es ins Fließen kommen und der Bach kann mir einiges sagen über mein derzeitiges Leben.
Dann sucht sich jeder selber seinen Weg über eine steile Bergflanke in ein stilles Kar. Fragen kommen wie ich meinen Weg im Leben finde. Überhaupt kann ich mich jetzt anschauen mit meinen Eigenheiten und Schwächen. Die Stille des Kares und das "Gebet der liebenden Aufmerksamkeit" nach Ignatius von Loyola helfen mir dabei.
"Wenn schon Moses sich dem brennenden Dornbusch so lange nicht nähern konnte, bis er seine Schuhe ausgezogen hatte, warum solltest du dich dann nicht erst von jedem deiner durch Leidenschaft verursachten Gedanken lösen, damit du dem einen dich nähern kannst, der jenseits aller Gedanken und Begriffe ist?" (Evagrius Ponticus, Über das Gebet, Kap. 4)
MITTWOCH: ERLEUCHTUNG (ILLUMINATIO) - Der Gang in die Wüste
Immer schon war die Wüste ein bevorzugter Ort der Gottesbegegnung. Deshalb begeben wir uns in die Steinwüsten der Moränenlandschaft des Fallender-Bach-Kares. Elija auf dem Weg zum Berg Horeb begleitet uns und die Ruhe der Felsen und Steine lässt uns selber zur Ruhe kommen.
Wir versuchen ganz gegenwärtig zu werden, die Gegenwart Gottes zu erspüren. Übungen von Franz Jalics SJ und Emmanuel Jungclausen OSB helfen uns.
Elija erkennt Gott im leisen Windhauch.
Eine kleine Land-Art-Aktion lässt uns auf den Tag zurückblicken.
"Du solltest nicht so sehr das Ziel verfolgen, sofort Erhörung für deine Bitten zu finden, und dich auch nicht so hartnäckig dabei verhalten. Der Herr möchte dir vielleicht ein noch größeres Geschenk machen als das, worum du gebeten hast, und möchte damit deine Ausdauer belohnen. Gibt es denn etwas, das besser ist, als ein inniger Umgang mit Gott und höher, als ganz in seiner Gegenwart zu leben? Ein Gebet, das durch nichts mehr abgelenkt wird, ist das Höchste, das der Mensch zu Wege bringt." (Evagrius Ponticus, Über das Gebet, Kap. 34)
DONNERSTAG: VOLLENDUNG (PERFECTIO) - Gott in allen Dingen finden
Nochmal vollziehen wir beispielhaft den mystischen Aufstiegsweg. An sieben kleinen Seen vorbei (7 als heilige Zahl der Vollendung) geht es weglos hinauf zur Scharte zwischen Zirmesspitze und dem Dreitausender Pfroslkopf.
Jeder See ist eine Station. Nochmals geht es an den ersten zwei Seen um die Stufe der Reinigung. Ein Waschungsritual erinnert uns an unsere Taufe und unser Spiegelbild im Wasser mahnt uns zu intensiver Selbsterkenntnis. Die Beschauung des Geschaffenen kann uns zur Schau des Schöpfers führen (Ignatius! Illuminatio!) – Wir atmen Landschaft, sinnieren über den "vollkommenen Grashalm" (Walt Whitman) und meditieren 1 Kor 13 (3. und 4. See).
Am 5. und 6. See weisen Texte zu Erleuchtung und Gipfelerlebnis in die Richtung, was Vollendung für uns heißen könnte. Am 7. See ruhen wir. Sieben ist die Zahl des Sabbats. Erfahren, dass die Schöpfung sehr gut ist.
Eine kleine Gruppe wagt auch noch das Abenteuer der Überschreitung des Pfroslkopfes!
"Die Tugenden erstreben wir, weil wir das Wesen der geschaffenen Dinge erkennen möchten. Und dieses Wesen der Dinge möchten wir deswegen erkennen, weil es uns dem Herrn näher bringt, der sie erschaffen hat. Er selbst aber macht sich gewöhnlich dem erfahrbar, der den Gebetszustand erreicht hat." (Evagrius Ponticus, Über das Gebet, Kap. 51)
FREITAG: ABSTIEG
In Reflexion, im Schreiben eines eigenen Psalms und mit Gebet und Gesang binden wir das Bündel schöner Erfahrungen, das uns in den Alltag begleiten wird.
(Christoph Fischer)